Ein noch junges Phänomen bremst die Kommunikationslust
Jetzt mal ehrlich! Hast Du schon einmal einen "Hate"-Kommentar abgelassen oder einfach mal deinen dunklen Gefühlen freien Lauf gelassen und dich verbal auf Facebook, Tiwtter und Co. mal so richtig "ausgekotzt"?
Oder andersherum gefragt: Hast Du schon mal einen Shitstorm erlebt? Mir persönlich ist das jetzt schon 2 mal passiert und ehrlich gesagt, war das keine schöne Erfahrung.
Es geht den "Hatern" oder "Trollen", wie diese Menschen mittlerweile genannt werden ja auch gar nicht um Kritik an einer Aussage, geschweige denn um konstruktive Kritik, sondern eher um ein Wutablassen, abreagieren als Anonymus, unerkannt jemandem in die Fresse hauen - das macht Spaß, baut das eigene Selbstwertgefühl auf und ist (noch nicht) strafbar.
Es kommt auch vor, dass im Verlauf einer Diskussion der Ton härter wird und letztlich wieder in Hasskommentaren mündet. Das wäre in direkten, persönlichen Gesprächen kaum denkbar. Die Annonymität scheint hier das Recht auf Unfreundlichkeit zu gewähren.
Ich finde diese Entwicklung sehr schade. Facebook und Co. waren eine lange Zeit die optimale Plattform, sich auszutauschen, gegeseitig mit ernsten, traurigen, lustigen oder politischen Informationen zu versorgen oder einfach lang verschollene Bekannte wieder zu finden. Das ist meines Erachtens jetzt vorbei. Erste Bekanntschaft hatte ich mit Hasskommentaren bei den öffentlich-rechtlichen Medienagenturen, wie ARD, Das Erste, ZDF und ähnlichen gemacht.
Dort wurden Informationen in beleidigender Art, weit unter der Gürtellinie, in Frage gestellt und ad absurdum geführt. Zunächst waren die Betroffenen und auch die Leser solcher Posts irritiert und beschämt. Je häufiger diese neue Unart sich jedoch durch die Kommentare zog, desto mehr Nachahmer gab es und eine Verdrossenheit, sich überhaupt noch ernsthaft an Diskussionen zu beteiligen, stellte sich ein.
Mittlerweile bleibt kein noch so simpler Kommentar ohne Hassantworten. Und das Beängstigende daran ist, dass sich auch rechtes Gedankengut wie ein roter Faden durch diese Troll-Kommentare zieht.
Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Kommunikationslandschaft noch einmal von diesem Angriff erholt. Nebenbei hat auch die Grammatik massiv Schaden genommen. Hier bin ich mir jedoch sicher, dass es keine Besserung mehr geben wird, da Schüler bereits im Grundschulalter mit-posten, mit-lesen und mit-haten. Der (negative) Lerneffekt ist immens und lässt sich auch von engagierten und bis zu einem gewissen Grad motivierten Grundschullehrern nicht mehr auffangen. Es lebe die Phonetik. Jüngste Schriftstücke aus den Schulen meiner Kinder bieten mir sogar ein noch schlimmeres Bild: Auch die Lehrer sind kaum noch in der Lage einen Satz fehlerfrei, von Zeichensetzung wollen wir gar nicht erst reden, zu Papier zu bringen. Selbst auf Zeugnissen sind Fehler zu finden, und das nicht nur in den Namen meiner Kinder, die nun wirklich nicht so schwer zu schreiben sind...
Nun könnte man ja sagen: Thomas, entspann' Dich - lehn' Dich zurück und warte auf besseres Wetter oder bessere Zeiten. Geht aber nicht! Ich arbeite nun einmal in der Kommunikations-Branche und empfehle meinen Kunden (zurzeit jedenfalls noch), sich auch auf Facebook mit Ihrem Klientel auseinander zu setzen.
Aber zurück zum Shitstorm. Den Ansatz einiger Facebook-Seiten-Betreiber, eine "Nettiquette" für die Teilnahme an Diskussionen zu fordern, fand ich gut und richtig. Hat aber mangels Sanktionen bei Nichteinhaltung keine Früchte getragen. Mittlerweile werden arg beleidigende oder völlig neben der Spur liegende Kommentare mit dem Hinweis auf Unsachlichkeit von einigen Seiten-Betreibern gelöscht, was widerum zum Anschwellen von Shit führt...
Sich aus allen sozialen Netzen zu verabschieden, halte ich jetzt auch für übertrieben und nicht hilfreich, weil ich mir eingestehen würde, den Trollen und Hatern unterlegen zu sein. Sie hätten dann gewonnen. Auf der anderen Seite. Hätten Sie die sozialen Medien dann für sich und könnten sich gegenseitig "anscheißen".
Greetz, Thomas Flachsbarth